Sonntag, April 22, 2007

London calling (I): +344,648 kg CO2

Viel Zeit war da nicht gerade, zwischen der letzten Prüfung und dem Vorlesungsbeginn. Gerade noch genug für einen klassischen Kurzurlaub mit einem Kommilitonen: Fünf Tage London. Billigflug von Düsseldorf, Übernachtung in einem kleinen „Hostel“ und Karten für das Konzert der „Barenaked Ladies“. Damit ist der Kurztrip nach England perfekt organisiert.

Los ging es im unstudentischen Morgengrauen mit der Deutschen Bahn nach Düsseldorf. Der Regionalexpress fährt von Aachen aus über Köln direkt zum Flughafen und legt laut Trassenpreisauskunft so eine Strecke von 113,718 km zurück. Mit dem spezifischen Emissionsfaktor der Bahn im Nahverkehr (98 Gramm je Personenkilometer) ergibt sich damit für die Anreise zum Flughafen:

113,718 km * 0,098 kg CO2/km = 11,144 kg CO2

Den Flug auf die Insel haben wir anbord einer Boing 737-700 der Fluglinie "Air Berlin" genossen. Zur Berechnung dieser Emissionen gibt es eine wunderbare Seite, die seit Beginn der Klimaschutzdiskussion auch hin und wieder durch die Medien geistert: www.atmosfair.de. Die dort eingegebene Flugroute ergibt zusammen mit Informationen über Flugzeugtyp und Fluggesellschaft eine Berechnung der emittierten Treibhausgase. Diese werden als CO2-äquivalent ausgegeben und mit einem Aufschlag für Klimawirksamkeit in großen Reiseflughöhen versehen. Wortgewaltig nennt sich das dann „Radiative Forcing Index“. Die Emissionswerte für den Flug von Düsseldorf nach London-Stansted und wieder zurück werden so mit

320 kg CO2 pro Person

errechnet. Direkt auf der Seite gibt es die Möglichkeit, sich von diesen Emissionen „freizukaufen“. Meine 320 Kilogramm CO2 kosten zum Beispiel neun Euro, das Geld kommt Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländer zugute. So wird die Menge an Treibhausgasen, die mein Flug verursacht hat, wieder eingespart. In meinen Augen ist das ein Muss, wenn man sich schon einmal den Komfort des überflüssigen Fliegens leistet.

Einmal auf Englischen Boden gelandet ergibt sich ein weiteres Problem, das jeder Billigflieger-Passagier kennt: London-Stansted ist bei weitem nicht London. Zwischen dem Flughafen und der Victoria Coach Station in der Innenstadt liegen satte 59 Kilometer, die wir mit einem Reisebus hinter uns gebracht haben. Auf der Hinfahrt war das ganz angenehm, auf der Rückfahrt allerdings der pure Stress. Nach einer halben Stunde Schlangestehen verkündete uns der – für einen Engländer erschreckend unhöfliche - Mensch am Schalter, dass die EC-Karten vom Terminal nicht akzeptiert würden. Und nein, mein Konto war nicht jenseits des Disporahmens. Jedenfalls nicht viel. Mit ordentlicher Verspätung und unserem sowieso knappen Zeitplan steckte der Bus dann im Londoner Verkehr fest. Der Fahrer hatte wohl eine Vorgeschichte als U-Bahnführer, jedenfalls hatte er nicht die Absicht, für irgendwen oder irgendetwas zu bremsen. Nun, wie auch immer, die Betreiberfirma „National Express“ hat im Internet die spezifischen Emissionen ihrer „Coaches“ offen gelegt: Pro Passagier und Kilometer fallen 32 Gramm CO2 an. Für die beiden Fahrten vom und zum Flughafen ergibt das:

59km * 2 * 0,032 kg CO2 = 3,776 kg CO2

Schließlich haben wir auf der Rückfahrt vom Flughafen Düsseldorf nach Aachen noch einmal die Deutsche Bahn bemüht, diesmal allerdings auf der Strecke Düsseldorf – Mönchengladbach – Aachen, die nur 98,263 Kilometer lang ist. Damit ergeben sich:

99,263 km * 0,098 kg CO2/km = 9,728 kg CO2

Alles in Allem belaufen sich nur die „Reisekosten“ auf satte 344,648 kg CO2. Und nun kommt der Knaller, denn natürlich hätte es auch Alternativen zum Fliegen gegeben: Am Aachener Hauptbahnhof hält (wenn auch nur kurz) der „ICE International“ beziehungsweise der „Thalys“ nach Brüssel. Dort bietet es sich an, in den Eurostar umzusteigen und durch den Eurotunnel bequem in einem Rutsch bis ins Stadtzentrum von London durchzufahren. Die Fahrzeit beträgt lächerliche 5 Stunden und 7 Minuten – im Flugzeug haben wir nur mit Handgepäck für dieselbe Strecke über 6 Stunden gebraucht. Der Unsinn innereuropäischer Kurzstreckenflüge wurde mir aber erst bei einem Blick auf die Emissionen der Bahn klar.

Die Schnellbahnstrecke von Aachen nach Brüssel ist genau 142 Kilometer lang. Im Fernverkehr der Bahn fallen pro Personenkilometer 52 Gramm CO2 an. Das hätte also für Hin- und Rückfahrt:

142 km * 2 * 0,052 kg CO2/km = 14,768 kg CO2

ergeben. Gepfeffert mit dem Slogan „Greener than Flying“ gibt die Betreiberfirma des Eurostar die pro Person auf der Strecke Brüssel-London anfallenden Emissionen für Hin- und Rückfahrt mit

18,3 Kilogramm (das entspricht 23 Gramm CO2 pro Personenkilometer)

an. Für dieselbe Strecke Aachen-London belaufen sich die Emissionen damit gerade einmal auf - im Vergleich zum Flugzeug winzigen - 33,068 kg CO2 pro Person.

Mit Bahncard, einem Jugendrabatt (unter 25 Jahren) gibt es Hin- und Rückfahrt bei frühem Buchen ab etwa 125 Euro, das entspricht – Hand aufs Herz - etwa dem Preis für die Flüge. Erspart bleibt der Stress, rechtzeitig am Flughafen zu sein. Überflüssig auch das Umpacken von Zahnpasta in beknackte Deo-bombensichere Plastikbeutel und es gibt auch keinen Beamten, der höflich aber bestimmt darum bittet, nun doch die Schuhe auszuziehen. Neben einigen Menschen, die schon eine längere Reise hinter sich haben, ist das nicht witzig.

Fazit: In diesem Fall wäre die Fahrt im Zug nicht nur schneller und entspannter, sondern vor allem auch um den Faktor 10 (!) ärmer an CO2-Emissionen gewesen. Ein für mich durchaus überraschendes Ergebnis und ärgerlich, denn nur die Anreise hebt den Wert meines CO2-Kontos nun auf +1042,176 kg CO2. Damit habe ich nun mehr als ein Drittel meiner gesetzten Obergrenze erreicht.

>>Emissionsrechner von Atmosfair.
>>Umweltbericht der Bahn.
>>Trassenpreisauskunft DB Netz.
>>Emissionenvon National Express.
>>Emissionen des Eurostar.
>>Auskunft über die Streckenlänge nach Brüssel.
>>Seite der Rockband "Barenaked Ladies".
>>Lizenz und Quelle des Illustrationsfotos.

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